ELI CORTIÑAS "Dial M for Mother"
07.03.-09.04.2009, Eröffnung: Freitag, 06.03., 18 Uhr

Ein penetrantes Telefonklingeln dominiert die Klangkulisse in Dial M for Mother und lässt weder Protagonistin noch Rezipienten zur Ruhe kommen. Das Bild wird überwiegend mit der Schau- spielerin und American-Independent-Ikone Gena Rowlands gefüllt, die Eli Cortiñas aus drei Filmen des Regisseurs John Cassavetes gelöst und in ihrem elfminütigen Zwei-Kanal-Video neu montiert hat.

Mit der als Loop angelegten Arbeit (11 min) präsentiert Eli Cortiñas eine atemberaubende Tour de Force durch die Abgründe der menschlichen Psyche. Der an der Oberfläche erscheinende ungelöste Mutter-Tochter-Konflikt entpuppt sich zunehmend als der Kampf eines Menschen um Identität und Autonomie, ein Kampf um eine Rolle im Leben, der weder gewonnen noch verloren in einem Vicous Circle eines nicht enden wollenden Lebenskampfes mündet, dessen Not-Lösung darin besteht, sich in die Inszenierung eines Plays zu stürzen, sich von der Bodenlosigkeit auf die Bühnenbretter zu retten.

Cortiñas arbeitet in ihrer künstlerischen Herangehensweise mit Found Footage und Material aus eigenem Archiv, das sie handwerklich virtuos in akustische und visuelle Versatzstücke getrennt und anschließend so miteinander verquickt hat, dass sie sich wie Fuzzy Sets zu einer Collage zusammen fügen, aus der neue semantische Ebenen hervorgehen. Außer den drei Filmen, in denen Gena Rowlands die Hauptrolle spielt (A Woman Under the Influence, Opening Night und Gloria), verwertet Cortiñas über vier Jahre dokumentierte Telefonate mit ihrer eigenen Mutter, die sie aus dem Ursprungskontext gelöst und verfremdet hat. Die Bild- und Tonschnitte wurden dabei so montiert, dass aus einer Art Zapping unterschiedlichster Sequenzen neue Charaktere, ein neues Szenario entsteht, wobei die eigene Mutter zur fiktiven Mutter der Protagonistin auf der Leinwand wird. Das Wechselspiel zwischen Real- und Imaginationsraum, Dokumentation und Fiktion, sowie Offscreen und Onscreen macht zusammen mit den darin kontextualisierten Rollen auch die Komplexität dieser Arbeit aus.

Die Collagenserie Conceiving must be fun setzt sich aus Fragmenten fotografischer Abbildun- gen und Zeichnungen zusammen, die auf weißem Hintergrund montiert, mit ausgeschnittenen oder großen selbst geprinteten Typografien kombiniert wurden. Auffallend oft sind neben Küchengeräten nackte Frauenkörper mit gespreizten Beinen und unkenntlich gemachten Gesichtern zu sehen, die Zeitschriften aus den 50ern oder Playboy-Magazinen aus den 70er Jahren entnommen und miteinander kombiniert wurden. Wie der Titel bereits vermuten lässt, kreist die Serie um das Thema Empfängnis, aus der Schwangerschaft, Geburt und Mutterschaft resultieren und somit wieder das Konzept Mutter in den Fokus gerückt wird. Die Reduzierung der Frau auf einen reproduzierenden „Mutterkörper“ scheint hier ebenso wie die Frage nach den Konsequenzen einer Familiengründung im Raum zu stehen. Allein schon die inhärente Passivität des Wortes Empfängnis, das Schwangerwerden, das allein des Körpers und nicht der Identität bedarf, stellt die Frage nach Weiblichkeit in ihrem Definitionshorizont. Rekurriert das Bildmaterial auf die 50er und 70er Jahre, wird mit dem Titel der Bogen ins 21. Jahrhundert und einer vom Fun-Faktor geprägten Konsumwelt geschlagen. Die Bildsprache ist dabei nicht aufklärerisch oder anklagend, geschweige denn leidend. Vielmehr sind die Collagen als Persiflagen zu verstehen, die mit Galgenhumor und einer gehörigen Portion Sarkasmus Geschlechterverhältnisse in Frage stellen, die nach wie vor, trotz „Mothering“ und „Elternzeit“ nicht an Aktualität und Brisanz verloren haben.

Text: Petra Pechtheyden, 2009